Nachhaltigkeit ist zweifellos eines der dominierenden Themen unserer Zeit. Um den Klimawandel einzudämmen und die globale Erwärmung abzuschwächen, sind ehrgeizige Ziele und wirkungsvolle Maßnahmen notwendig. So hat sich die Europäische Kommission vorgenommen, bis 2050 klimaneutral zu sein. Im gleichen Zeitraum sollen die weltweiten CO2-Emissionen um 80 bis 95 % reduziert werden. Hierbei soll die EU-Taxonomie-Verordnung helfen.
Auf dem Weg zu diesen Zielen nimmt die Politik auch die Wirtschaft zunehmend stärker in die Pflicht. Die EU-Taxonomie-Verordnung führt Klassifizierungskriterien für Nachhaltigkeit in der gesamten Europäischen Union ein. Das bedeutet, dass Wirtschafts- und Investitionsaktivitäten künftig entsprechend ihrer Nachhaltigkeit bewertet und offengelegt werden müssen.
Bereits ab 1. Januar 2022 gilt die EU-Taxonomie-Verordnung für alle Unternehmen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die der nicht-finanziellen Berichterstattung gemäß CSR-Richtlinie unterliegen. Sie sind künftig verpflichtet, Auskunft darüber zu erteilen, wie und in welchem Umfang sie in ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten involviert sind. Die Berichtspflicht der EU-Taxonomie-Verordnung umfasst den jeweiligen ökologisch nachhaltigen Anteil an den Kennzahlen Umsatzerlöse, Investitionsausgaben (CapEx) und Betriebsausgaben (OpEx).
Als konform im Sinne der EU-Taxonomie-Verordnung gilt eine Wirtschaftsaktivität, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der folgenden Umweltziele leistet:
Klimaschutz
Anpassung an den Klimawandel
Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft
Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
Schutz und Wiederherstellung von Ökosystemen und Biodiversität
Außerdem legt die EU-Taxonomie-Verordnung fest, dass eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit dabei nicht ein oder mehrere andere Umweltziele erheblich beeinträchtigen darf (Do-not-harm-Prinzip) sowie ein Mindestmaß an Schutz in Bezug auf die Menschenrechte ausüben und den in der EU-Taxonomie-Verordnung festgelegten technischen Bewertungskriterien entsprechen muss. Bereits für das Geschäftsjahr 2021 sind Unternehmen durch die EU-Taxonomie-Verordnung dazu verpflichtet, die entsprechenden Angaben für Aktivitäten zu machen, die wesentlich zum Klimaschutz bzw. zur Anpassung an den Klimawandel – also zu den Umweltzielen 1 und 2 – beitragen. Ab dem Geschäftsjahr 2022 sind dann auch Angaben für wesentliche Beiträge zu den anderen EU-Umweltzielen obligatorisch.
Um ihren Berichts- und Nachweispflichten im Sinne der EU-Taxonomie-Verordnung nachzukommen, stehen die betroffenen Unternehmen vor einer Reihe von Aufgaben. So müssen sie ihre Aktivitäten im Hinblick auf die ökologische Nachhaltigkeit bewerten, relevante Aktivitäten identifizieren und deren Konformität in Bezug auf die EU-Taxonomie-Verordnung beurteilen sowie die entsprechenden Nachweise einholen. Systemseitig gilt es, die Nachhaltigkeitsbewertung in die Finanzkennzahlen zu überführen und eine Bestandsaufnahme der Systeme und Prozesse zu machen, mit denen sich Daten für die taxonomierelevanten Kennzahlen erheben lassen.
Die ordnungsgemäße Umsetzung der EU-Taxonomie-Verordnung erfordert einen gewissen zeitlichen Aufwand und setzt die Einbeziehung von unternehmensinternen Experten jenseits der Nachhaltigkeitsabteilung voraus. Insbesondere die für die Erfassung von Umsatzerlösen, Investitionsausgaben und Betriebsausgaben zuständige Abteilung (Controlling oder Rechnungswesen) sollte einbezogen werden. Ebenso ist zu bedenken, dass die Überprüfung der wirtschaftlichen Tätigkeiten hinsichtlich der Konformität der EU-Taxonomie-Verordnung und der Aufbau eines entsprechenden Berichtswesens parallel zum Tagesgeschäft bewältig werden müssen und das Projektteam auf die Zuarbeit einer Reihe von Fachleuten aus dem Unternehmen angewiesen ist.
Mit der EU-Taxonomie-Verordnung hat die Europäische Union ein Klassifizierungssystem geschaffen, das definiert, ob Unternehmen ökologisch nachhaltig wirtschaften. Das Regelwerk verfolgt das Ziel, ein einheitliches Verständnis der Nachhaltigkeit von Geschäftsaktivitäten in der EU zu etablieren. Außerdem soll mithilfe der EU-Taxonomie-Verordnung ein Greenwashing bei nachhaltigen Finanzprodukten vermieden werden. Die stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in Geschäftsberichten erhöht deren Aussagekraft und macht die Berichterstattung von Unternehmen besser vergleichbar.
Es ist davon auszugehen, dass die EU-Taxonomie-Verordnung in der Praxis nicht nur für die Unternehmen relevant wird, die ihr den gesetzlichen Bestimmungen nach unterliegen. Vielmehr werden sich auch andere Unternehmen stärker mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen müssen. Denn einerseits werden berichtspflichtige Unternehmen von ihren Lieferanten entsprechende Nachhaltigkeitsnachweise verlangen. Und andererseits werden Finanzinstitute, für welche die EU-Taxonomie-Verordnung ebenfalls bindend ist, von ihren Kunden entsprechende Offenlegungen erwarten, damit sie bewerten können, ob es sich um nachhaltige Investitionen handelt. Insofern sind nahezu alle Unternehmen gleich welcher Größe gefordert, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie sie ihre nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten ausbauen und belegen können.