Im Zeitalter des digitalen Wandels beschäftigen sich viele Industrieunternehmen mit Technologien, die sie fit für die Zukunft machen. Neben Schlagworten wie Industrie 4.0, Internet of Things (IoT) und Machine Learning fällt in diesem Zusammenhang häufig auch der Begriff „Digitaler Zwilling“. Dieses virtuelle Abbild eines Produkts oder einer Fertigungsanlage kann eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Produktions- und Entwicklungsprozesse effizienter zu machen, Kosten zu senken und die Verfügbarkeit zu erhöhen.

 


 

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Virtuelles Abbild eines realen Objekts

„Das virtuelle Abbild eines realen Objekts, das dessen Eigenschaften und Verhalten repräsentiert“ – zugegebenermaßen klingt die Definition eines digitalen Zwillings auf den ersten Blick nicht sonderlich spannend. Macht man sich jedoch bewusst, was tatsächlich hinter dieser zunächst recht nüchtern anmutenden Beschreibung steckt, eröffnen sich ziemlich vielversprechende Perspektiven.

 

Ein digitaler Zwilling – oder Digital Twin – ist das virtuelle Abbild eines realen Objekts. Sozusagen ein digitaler Doppelgänger. Das reale Objekt kann ein zu fertigendes Endprodukt, eine Maschine, ein Netzwerk von Maschinen oder ein noch nicht existierendes, sondern sich in der Planung befindliches Objekt sein. In der digitalen Welt wird es durch Modelle mit Algorithmen, Daten und Zuständen beschrieben. Im zweiten Teil der Definition ist davon die Rede, dass der digitale Zwilling Eigenschaften und Verhalten repräsentiert. Anders ausgedrückt: Er stellt die Summe der Merkmale und Funktionen des realen Objekts dar, zu dem er sich exakt gleich verhält. Wobei „exakt“ hier eher theoretisch zu verstehen ist. Denn häufig führt die fehlende Genauigkeit der zugrundeliegenden Daten zu gewissen Einschränkungen. Diese haben in der Regel jedoch keine negativen Konsequenzen für die abzubildende Funktion.

 

Vom digitalen Zwilling profitieren

Stellt sich noch die Frage, was der digitale Zwilling mit Industrie 4.0, Internet of Things und Machine Learning zu tun hat. Angesichts der obigen Definition liegt die Vermutung nahe, dass der digitale Zwilling das verbindende Element darstellt, das den genannten Technologien Form und Nutzen verleiht. Grundsätzlich funktionieren Industrie 4.0, IoT und Machine Learning auch für sich. Wer aber den größtmöglichen Nutzen aus den Technologien ziehen möchte, schöpft die vorhandenen Potenziale mit einem digitalen Zwilling voll aus.

 

Der größte Vorteil eines digitalen Zwillings besteht darin, dass kein reales Objekt mehr benötigt wird, um das Verhalten und die Eigenschaften dieses realen Objekts zu studieren. Das erledigt eine Simulation auf Basis des virtuellen Abbilds. Abteilungen, die mit der Produktentwicklung betraut sind, müssen einen Gegenstand nicht mehr herstellen, um zu überprüfen, ob er den an ihn gestellten Anforderungen genügt, ob sein Verhalten die gewünschten Funktionen bietet und welche Aspekte im Hinblick auf Verschleiß und Fehleranfälligkeit kritisch sein könnten. Somit beschleunigt der Einsatz von digitalen Zwillingen nicht nur die Entwicklung eines Produkts, sondern erhöht auch die Effizienz des Fertigungsprozesses und liefert wichtige Erkenntnisse in Bezug auf Wartungsfenster und Ausfallsicherheit der verbauten Komponenten.

 

Vielfältige Szenarien

Anhand von typischen Anwendungsszenarien aus der Praxis lässt sich der Nutzen des digitalen Zwillings am besten darstellen. Bei der Produktentwicklung sind Prototypen unerlässlich, um festzustellen, ob die Eigenschaften und Funktionen des geplanten Produkts die Anforderungen erfüllen. Allerdings ist es ein typisches Dilemma bei Entwicklungsprojekten, dass die Prototypen immer zu spät und in zu geringer Anzahl zur Verfügung stehen. Mithilfe des digitalen Zwillings können Fachabteilungen virtuelle Prototypen frühzeitig in der Entwicklung nutzen, um Anforderungen zu validieren, Fehler zu beheben und Optimierungen in verschiedenen Bereichen umzusetzen. Dieses Vorgehen minimiert nicht nur die Risiken, sondern gewährleistet auch ein besseres Endprodukt.

 

Ebenso lassen sich komplexe Netzwerke wie Fertigungsanlagen als digitaler Zwilling abbilden. Dieser visualisiert produktionsrelevante Daten und bereitet sie so auf, dass Unternehmen sowohl die einzelnen Maschinen der Anlage als auch den gesamten Produktionsprozess optimieren können.

 

Darüber hinaus lassen sich mit Sensoren an relevanten Punkten der Maschinen Verschleißerscheinungen identifizieren, bevor es zum Ausfall kommt. Das ermöglicht die Planung von Wartungsfenstern im Vorfeld. Dieses Konzept der prädiktiven Wartung hilft dabei, frühzeitig einzugreifen und ungeplante Stillstände in der Fertigung zu minimieren.

 

Effizienz und Verfügbarkeit optimieren

Wie genau der digitale Zwilling auf der Basis von Industrie 4.0 und IoT Vorteile generiert, wird am Beispiel eines Produktionsnetzwerks aus der Fertigungsindustrie deutlich. Das Produktionsnetzwerk besteht aus einer mit Sensoren bestückten, vernetzten und vollautomatisch arbeitenden Presse und einer identisch ausgestatteten Stanzmaschine. Von diesem Produktionsnetzwerk soll ein digitaler Zwilling aufgebaut werden. Die folgenden Schritte beschreiben, wie das Vorgehen typischerweise aussehen könnte.

 

Die Grundlage für alles Weitere sind digitale Beschreibungen der verwendeten Maschinen. Sie können CAD-Daten, Stücklisten, Wartungspläne und viele weitere Daten beinhalten. So entsteht das erste Modell des digitalen Zwillings, das mit den realen Maschinen vernetzt wird, um produktions- und statusrelevante Daten auszutauschen. Der digitale Zwilling hat den identischen Zustand wie die realen Maschinen. Die SAP Business Technology Platform bietet eine solide Basis für den Austausch. Die dort vorhandenen Funktionen und Module helfen, das virtuelle Abbild einer Maschine zu realisieren. Anhand der gesammelten Daten ist es möglich, die Produktionsprozesse durch Simulation am digitalen Zwilling sowohl innerhalb einer einzelnen Maschine als auch im gesamten Netzwerk zu optimieren. Darüber hinaus lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse verwenden, um auch das zu fertigende Endprodukt zu verbessern.

 

Innovative IoT-Technologien

In einem weiteren Schritt übermitteln die Maschinen Sensordaten, um mithilfe von Machine Learning Verschleißteile festzustellen und dadurch die Konstruktion der Maschinen zu optimieren oder Wartungsfenster in der Produktion einzuplanen, bevor es wegen eines Defekts zum längerfristigen Ausfall von Maschinen kommt. Zusätzlich bietet Machine Learning die Möglichkeit, die Modelle des digitalen Zwillings zu verfeinern. SAP Internet of Things stellt hierfür wichtige Funktionen bereit, zum Beispiel die Anbindung der Sensorik in die Cloud, die Auswertung von Daten mithilfe von Machine Learning und die grafische Visulisierung der gewonnenen Erkenntnisse.

 

Unterstützung leisten hierbei die Lösungen der SAP Intelligent Asset Management Suite (IAM). Zum einen verbindet die Plattform SAP Asset Intelligence Network (AIN) die verschiedenen Stakeholder wie Hersteller, Operator und Servicepartner miteinander, um einen gemeinsamen Blick auf ein Asset zu erlangen. Damit bleiben alle Beteiligten bezüglich Maschinendaten, Dokumentation, Wartungsinformationen, Austauschkomponenten und weiteren relevanten Informationen auf dem gleichen Stand.

 

Zum anderen optimiert SAP Asset Performance Management (APM), das aus den Lösungen SAP Asset Strategy and Performance Management (ASPM) und SAP Predictive Asset Insights (PAI) hervorgegangen ist, die Wartung. In Kombination mit einem SAP S/4HANA-System, genauer gesagt mit dem Modul Enterprise Asset Management, lässt sich ein End-to-End-Wartungsprozess abbilden, der die Entwicklung geeigneter Wartungsstrategien bis hin zur Überwachung des Equipments mithilfe von Machine Learning ermöglicht. So wird die Grundlage für eine prädiktive Wartung geschaffen.

 

Fazit: Vorhandene Möglichkeiten nutzen

Die technologischen Voraussetzungen, um die Produktion mithilfe von digitalen Zwillingen zu effizienter und verlässlicher zu gestalten, sind gegeben. Im Zeitalter von Industrie 4.0 lässt sich die intelligente Fabrik bereits heute in vielen Punkten umsetzen. SAP liefert dafür die passenden Tools. Jetzt liegt es an den Unternehmen, die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen und ihre Fertigungsprozesse zukunftsfähig zu machen.

 

Die skizzierten Szenarien stellen nur eine kleine Auswahl an Beispielen aus der digitalen Produktionswelt dar. Mithilfe der richtigen Werkzeuge eignen sie sich gut als Einstieg in die Industrie 4.0. Der digitale Zwilling verschafft Unternehmen viele Vorteile. Sie profitieren von kürzeren Entwicklungs- und Produktionszeiten, fehlertoleranteren Produkten und höherer Verfügbarkeit. Bis zur autonomen Fabrik, in der die Intralogistik mit den Fertigungsprozessen und dem Produkt vernetzt ist und die sich selbst steuert und optimiert, ist es dann nicht mehr weit.

 
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