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Mit Predictive Analytics böse Buben und gute Kunden einfangen

Geschrieben von Loren Heilig | 22. April 2016

Kennen Sie den Film Minority Report? Da liegen drei übersinnlich begabte Geschwister in einer Polizeistation in einer wabbligen Nährlösung und haben bruchstückhafte Visionen von zukünftigen Morden. Sofern der diensthabende Kommissar rechtzeitig aus den Bruchstücken schlau wird, lässt er den potenziellen Mörder von einer schnellen Eingreiftruppe vorsorglich verhaften und zum Schutz der Gesellschaft "verwahren", also in einen mentalen Standby versetzen. Ohne Prozess, versteht sich. Die Tat ist ja nicht geschehen, folglich kann nichts bewiesen werden.

 

Software errechnet im Voraus potenzielle Ziele von Kriminellen

Die Drillinge im Film nennen sich Precogs (Precognitives). Ob der Namensgeber der Software Precobs (Pre Crime Observation Systems) ein Filmfan ist, ist nicht überliefert. Der Vergleich liegt nahe. Die Software wertet in der Vergangenheit erfasste Tathergänge aus und versucht, darin Muster zu erkennen. Beispielsweise Muster, nach denen organisierte Banden ihre nächsten Einbruchsziele auswählen. Zusätzlich wertet Precobs Daten aus externen Quellen aus, zum Beispiel Wetter, Verkehrssituation, geografische und soziodemografische Daten oder auch die Belastung des Stromnetzes. Daraus versucht sie, Wahrscheinlichkeiten zu errechnen, wo und wann Kriminelle als Nächstes zuschlagen könnten.

 

Um es vorwegzunehmen: Precobs sagt keine Taten voraus und auf Basis der Analyseergebnisse wird auch niemand verhaftet. Jedoch helfen die Voraussagen der Polizei, ihre meist viel zu wenigen Einsatzkräfte in einem viel zu großen Gebiet sinnvoll einzusetzen. Die Software sagt praktisch: "Fahrt doch heute Nacht lieber mal in diesem Viertel Streife, dort herrschen gerade gute Voraussetzungen, ein paar böse Jungs zu fangen." Ob die Vorhersage eintrifft oder nicht, ist ein bisschen wie beim Wetterbericht. Das Predictive Policing genannte Verfahren ist testweise schon in einigen deutschen Bundesländern im Einsatz - mit bisher durchaus positiven Ergebnissen (Quelle: heise online, hier und hier).

 

Predictive Analytics hilft Unternehmen beim effektiven Ressourceneinsatz

Unternehmen, hauptsächlich im B2C-Segment, haben im Prinzip dasselbe Problem wie die Polizei: ein riesiges Einsatzgebiet (Zielmarkt, Kundenschaft), aber nur begrenzte Ressourcen (Mitarbeiter, Zeit, Geld), um dieses Gebiet zu bearbeiten. Sie sind deshalb darauf angewiesen, möglichst genau zu wissen, wo Ressourcen am effektivsten einzusetzen sind. Predictive Analytics, also Vorhersagen auf Basis von möglichst vielen Daten, ist der richtige Ansatz.

 

Ein Praxisbeispiel: Das Geschäft der großen Telefonprovider wie Vodafone ist schwierig geworden. Der Markt ist gesättigt, irgendwann hat jeder seine Sprach- und Datenflatrate. Neukundenakquise ist teuer, da jeder Kunde erst einmal mit Angeboten und Geschenken vom Wettbewerber weggelockt werden muss. Damit sich die Investition in einen solchen Kunden lohnt, sind drei Dinge wichtig: Den Kunden möglichst lange halten, ihm weitere Services verkaufen und gleichzeitig die laufenden Kosten pro Kunde möglichst niedrig halten. Wie hilft Predictive Analytics hier weiter?

  • Kunden halten: Vodafone trifft mit einer Predictive-Analytics-Lösung von SAP Vorhersagen, welche Kunden wahrscheinlich bald kündigen. Diese Kunden werden kontaktiert, um sie mit einem guten Angebot zur Vertragsverlängerung zu bewegen. Dadurch wurde die Kündigungsquote um 12 % gesenkt.

  • Upselling: Mit SAP InfiniteInsights findet Vodafone Netherlands heraus, welchen Kunden bestimmte Tarifoptionen oder Upgrades angeboten werden sollen. So lassen sich Kundengruppen, die begeisterte Skifahrer sind, wahrscheinlich im Winter für einen Auslandstarif begeistern, während man gut verdienenden Familienvätern eher zusätzliche Tarife für Frau und Kinder verkaufen kann. Von einem anderen Callcenter weiß ich, dass die Erfolgsquote der Outbound-Calls mit Predictive Analytics um erstaunliche 30 % gesteigert werden konnte.

  • Kosten senken: Die Einsparungen ergeben sich bereits aus dem beschriebenen Ansatz. Wenn nicht alle Kunden im Gießkannenprinzip angerufen oder angeschrieben werden, sondern nur besonders "attraktive", dann sind niedrigere Kosten bei gleichzeitig steigendem ROI die logische Folge.

 

Eierlegende Wollmilchsau für das Direktmarketing

Speziell im Direktmarketing ist Predictive Analytics echt eine eierlegende Wollmilchsau. Soll heißen, es löst ziemlich viele Probleme auf einmal. Nicht nur für die Unternehmen, auch für die Kunden. Wer hat sich nicht schon gewünscht, dass man nicht immer erst kündigen muss, bevor ein Anbieter mit einem tollen Angebot um die Ecke kommt. Oder dass Werbung, die, wenn man sie schon nicht umgehen kann, wenigstens zur richtigen Zeit kommt, wenn man Bedarf hat. Und da die Polizei dank Predictive Analytics hoffentlich an der richtigen Stelle Streife fährt, müssen Sie sich um ihr neues, sündhaft teures Smartphone, das Sie zur Vertragsverlängerung bekommen haben, auch nicht mehr ganz so viele Sorgen machen.

 

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