[Fachbeitrag] Natürlich ist Software nicht gleich Software. Natürlich gibt es gravierende Unterschiede zwischen Standardsoftware und Individualentwicklung. Lange gegen kurze Einführungszeiten, hoher gegen niedriger Preis – kurzum: maßgeschneidert gegen "es wird gegessen, was auf den Tisch kommt".
Die Vor- und Nachteile dieser beiden Möglichkeiten werden in allen einschlägigen Kanälen regelmäßig hinreichend beleuchtet. Aber besonders beim Thema Preis stellt sich die Diskussion oft sehr einseitig dar: Welchen Preisunterschied sollte ich als Kunde akzeptieren? Bei welcher Art von Software sollte ich als Kunde den höheren Preis einer Individuallösung in Kauf nehmen? Eine sehr entscheidende Frage kommt dabei allerdings fast immer zu kurz, obwohl sie für Software-Kunden genauso wichtig ist wie für Software-Hersteller: woher kommen diese großen Preisunterschiede zwischen Standardsoftware und Individualentwicklungen eigentlich? Warum kostet eine hoch komplexe und berühmte Software wie Microsoft Excel nur 135,00 Euro (vgl. Microsoft-Webseite), während eine individuell für unser Unternehmen programmierte Software gleich mehrere zehn (oder gar hundert) tausend Euro kostet?
Es liegt auf der Hand, dass hier vor allem die Verkaufszahlen eine große Rolle spielen. Denn während Microsoft seine Standardsoftware zig millionenfach verkauft, ohne sie dabei an die individuellen Ansprüche der Kunden anzupassen, wird eine Individual-Software eben nur einmal verkauft. Und muss mit einem Verkauf alle Kosten erwirtschaften. Besonders deshalb, weil sie im Normalfall kein zweites Mal verkauft werden kann.
Aber was wäre, wenn doch? Was, wenn die für unser Unternehmen individuell programmierte Software auch noch von anderen Unternehmen genutzt werden könnte - obwohl Sie eigentlich an unsere Prozesse angepasst ist? Und auf unsere Anforderungen zugeschnitten ist? Genau dann tritt eine Art der Software-Herstellung auf den Plan, die sich nun immer öfter findet: sogenannte "Co-Innovations-Projekte" oder auch "Konzeptionsprojekte". Sie ermöglichen einen Mittelweg zwischen Individualentwicklung und Standardsoftware.
"Andere Unternehmen müssen doch die gleichen oder zumindest ähnlichen Anforderungen haben wie wir?"
Ein Software-Hersteller und mehrere Software-Kunden erarbeiten in einem gemeinsamen Projekt den Umfang und Inhalt einer Software, welcher dann den Anforderungen aller Projektbeteiligten gerecht wird. Somit können Kunden Ihre individuellen Ansprüche bereits vor der Entwicklung mit einbringen und so die Entwicklung der Software beeinflussen. Der Software-Hersteller wiederum kann die Kosten der Herstellung auf mehrere Kunden verteilen und die Software im Optimalfall auch später noch an weitere Kunden verkaufen. Dadurch wird sie erheblich günstiger. Um das zu schaffen, muss die Software allerdings an gewissen Punkten auf individuelle Anforderungen anpassbar sein. Welche Punkte das sind, wird allen Beteiligten im Co-Innovations-Projekt schnell deutlich: Kunde A möchte den Prozess rechtsherum, Kunde B und C möchten ihn lieber linksherum: Beide Möglichkeiten müssen im sogenannten Customizing - also in der individuellen Anpassung nach der Installation - ermöglicht werden. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Da alle Projektbeteiligten darüber hinaus auch von den Erfahrungen der Anderen in der jeweiligen Aufgabenstellung profitieren, ist auch dieser Aspekt sehr wichtig. Eine in einem Konzeptionsprojekt entstandene Lösung stellt immer ein „Best-Practice“ dar, d.h. sie vereint alle bewährten Methoden und Prozesse der Beteiligten in sich.
Auf die Frage "Standardlösung vs. Individualentwicklung" kristallisiert sich also eine neue Antwort heraus. Sie lautet: Kombination! Warum sollten wir nicht die Vorteile von beiden Möglichkeiten miteinander kombinieren? Der geringere Preis einer Standardlösung im Zusammenspiel mit den Anpassungen auf unsere Anforderungen - so wie bei einer Individuallösung. Man darf gespannt sein, wohin dieser Trend noch führt, denn immer mehr Software-Kunden erkennen den Vorteil, sich bereits an der fachlichen Konzeption "ihrer" Software zu beteiligen und immer früher in den Prozess der inhaltlichen Definition einzusteigen.