Die SAP Cloud Platform stellt Dienste für die Entwicklung, die Integration und den Betrieb von Cloud-Anwendungen bereit. Im vergangenen Jahr hat SAP die strategische Ausrichtung der SAP Cloud Platform verändert. Sie soll als Business Technology Platform Operational Data und Experience Data zusammenbringen und so das intelligente Unternehmen realisieren.
In diesem Zusammenhang ist die SAP Cloud Platform vor allem für die Anwendungsentwicklung und -integration relevant, wenn es darum geht, verschiedene Systeme zusammenzubringen, intelligente Prozesse zu entwerfen und Erweiterungen zu bauen. Teilweise spielt die SAP Cloud Platform auch für das Daten-/Datenbankmanagement, das sich mit dem Speichern und Verarbeiten von Unternehmensdaten befasst, und für die intelligenten Technologien im Portfolio von SAP Leonardo, eine Rolle.
Use Cases für die SAP Cloud Platform
SAP hat verschiedene Use Cases definiert, mit denen die SAP Cloud Platform die ihr zugedachte Rolle als Business Technology Platform ausfüllen soll:
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Integration
Die SAP Cloud Platform hat die Aufgabe, On-Premise- und Cloud-Systeme innerhalb der IT-Landschaft von Unternehmen zu integrieren.
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Erweiterungen (Extensions)
Dieser Use Case dreht sich um die Frage, wie sich die Software-as-a-Service-Angebote von SAP erweitern lassen. Ihm liegt das Idealbild einer IT-Infrastruktur zugrunde, bei der die Kernsysteme und -prozesse des Unternehmens von den eigenen Erweiterungen getrennt sind.
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Data-driven Insights
Mithilfe von Data-driven Insights ziehen Unternehmen die richtigen Schlüsse aus der Vielzahl an gesammelten Daten. Außerdem unterstützen sie Unternehmen dabei, ihre riesigen Datenmengen in den Griff bekommen.
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Experience & Digital Workplace
Hierbei geht es um die Modernisierung des User Interface. Sie gelingt beispielsweise mit Anwendungen, die den Fiori-Design-Vorgaben folgen oder mit Conversational AI über Chatbots.
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Regulated Industries & Markets
Dieser Bereich befasst sich mit der Integration von Prozessen mit Finanzbehörden und ähnlichen Institutionen.
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Intelligent Business Processes
Mit diesem Use Case sind die Verbesserung von Workflows und die Realisierung einer höheren Prozessintelligenz gemeint.
Mittlerweile läuft die SAP Cloud Platform nicht nur in SAP-Rechenzentren, sondern auch bei den gängigen Cloud-Infrastruktur-Anbietern Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure, Google Cloud Platform und Alibaba Cloud, die vor allem für den chinesischen Markt interessant ist. Mit der Neuausrichtung der SAP Cloud Platform in Richtung der Business Technology Platform ging die Entscheidung einher, bestimmte Plattform-Services wie Open-Source-Datenbanken nicht mehr anzubieten, da sie in direkter Konkurrenz zu AWS oder Microsoft Azure stehen. Inzwischen hat die SAP aber auf Kundenfeedback reagiert und plant in Q3/2020 ein neues Angebot für von SAP gemanagte Backing-Services.
SAP fokussiert im Rahmen der Business Technology Platform deutlich stärker auf die Weiterentwicklung und den Ausbau von Business Services. Ein Beispiel dafür ist der Master Data Service for Business Partner. Dieser Dienst fungiert als zentraler Verteilknoten, um ein On-Premise-MDG-System mit verschiedenen Cloud-Systemen zu integrieren. Das Ergebnis: Alle Erweiterungen in der Cloud greifen auf einen einheitlichen, zentralen Business-Partner-Stamm zu.
Data Lake in der Cloud
Eine weitere Neuheit ist SAP HANA Cloud. Damit realisiert SAP einen kompletten Data Lake in der Cloud. SAP HANA Cloud bietet deutlich mehr Möglichkeiten und eine höhere Flexibilität als die bisherigen HANA-Services in der Cloud.
Durch die neue Rolle der SAP Cloud Platform haben die Kunden die Wahl, in welchem Umfang sie auf Services von SAP zurückgreifen möchten. Wollen sie beispielsweise nur die Infrastruktur oder auch die Datenbank as-a-Service beziehen? Je nachdem, welcher Umfang es sein soll, kümmert sich SAP lediglich um den Betrieb der Infrastruktur oder übernimmt auch das Management der Datenbank.
ABAP, aber eingeschränkt
Während früher nur Java- und JavaScript-Anwendungen auf der SAP Cloud Platform entwickelt werden konnten, besteht inzwischen zusätzlich die Möglichkeit der ABAP-Programmierung. Allerdings sind die Funktionalitäten aus dem ABAP-Framework eingeschränkt, da die SAP Cloud Platform manche Sprachkonstrukte und Funktionsbausteine nicht unterstützt. Der Zweck der ABAP-Umgebung ist es, Erweiterungen für On-Premise-Lösungen zu bauen. Das Kernentwicklungswerkzeug dafür ist Eclipse. Über SAP GUI gibt es keinen Zugang zur ABAP-Umgebung.
Das Bauen von Extensions steht bei SAP aktuell stark im Fokus. Dementsprechend gibt es verschiedene Ansätze dafür:
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Cloud Foundry Environment für Erweiterungen auf Basis von Java, JavaScript oder Python
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ABAP Environment für Extensions mit ABAP
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Extension Factory für Erweiterungen auf Basis von Serverless Functions
SAP Cloud Platform Extension Factory
Mit der SAP Cloud Platform Extension Factory sollen Entwickler künftig Erweiterungen für Cloud- und On-Premise-Lösungen von SAP bauen. Die Themen Security und Connectivity sind standardisiert, sodass sich die Entwickler auf die Geschäftslogik fokussieren können. Es stehen verschiedene Runtimes wie Cloud Foundry, ABAP Environment und Serverless Runtime zur Auswahl. Für eventbasierte Nachrichten gibt es den SAP Cloud Platform Enterprise Messaging Service. Aktuell ist die Extension Factory auf den Infrastrukturen von AWS und Microsoft verfügbar. Sie soll aber künftig für alle namhaften Cloud-Anbieter bereitgestellt werden.
Cloud Application Programming Model
Für die Entwicklung von Java und JavaScript Anwendungen hat SAP das Cloud Application Programming Model (CAP) geschaffen, um die Softwareentwicklung auf der SAP Cloud Platform zu vereinfachen. Aufbauend auf Core Data Services (CDS) können einfach Anwendungen entwickelt werden, die Services für verschiedene Frontends zur Verfügung stellen. Das SAP Cloud SDK wird von CAP verwendet, um das Konsumieren von Schnittstellen von SAP Cloud-Anwendungen zu vereinfachen, und bringt fertige Continuous-Integration- und Continuous-Deployment-Prozesse mit. Das CAP bietet zudem Best Practices für Authentifizierung, Konnektivität und Caching.
SAP Cloud Application Studio
Das Entwicklungswerkzeug SAP Cloud Application Studio ist der Nachfolger von SAP Web IDE. Es funktioniert auf Open-Source-Basis und bietet eine modulare Umgebung, die auf die effiziente Entwicklung von Geschäftsanwendungen für die Szenarien des intelligenten Unternehmens zugeschnitten ist. SAP Cloud Application Studio wird künftig alle Programmiermodelle außerhalb von ABAP unterstützen. SAP treibt das Thema aktuell stark voran, dementsprechend straff ist die Roadmap getaktet.
Migration von Neo zu Cloud Foundry
Die neue Umgebung auf der SAP Cloud Platform heißt Cloud Foundry. Für Unternehmen, die bereits auf der bisherigen Umgebung Neo entwickelt haben, stellt sich die Frage, wie sie auf Cloud Foundry wechseln können. Und Unternehmen, die erst jetzt mit Entwicklungen auf der SAP Cloud Platform starten, müssen klären, ob sie dafür Neo oder Cloud Foundry nutzen möchten.
Grundsätzlich gilt: Nicht alle Services, die es auf Neo gibt, sind auch auf Cloud Foundry verfügbar. Umgekehrt gibt es viele Features auf Cloud Foundry, die es in Neo nicht gibt. Zudem weicht der Feature Scope zwischen beiden Umgebungen ab. Das bedeutet, dass die Neo-Entsprechungen auf Cloud Foundry nicht alle Funktionalitäten abdecken, die auf Neo verfügbar sind. Für das Cloud Portal sind die Einschränkungen in SAP Note 2902576 und für Cloud Integration in SAP Note 2752867 erläutert.
Besonderheiten der beiden Umgebungen
Bei HTML5-Applikationen läuft das Deployment auf Cloud Foundry anders ab als auf Neo. Es müssen Services für HTML5 Repository und Runtime integriert werden. Zudem gilt es, die Benutzerauthentifizierungen auf Cloud Foundry anzupassen. Das Fiori-Launchpad-Modul muss als Teil einer Multi-Target-Applikation (MTA) hinzugefügt werden. Der Cloud Portal Service auf Cloud Foundry konsolidiert die MTAs und fasst sie mit On-Premise-Applikationen zu einem Fiori Launchpad zusammen. HTML5-Applikationen selbst müssen nicht geändert werden, allerdings ist es erforderlich, die Infrastruktur um die Applikation herum an Cloud Foundry anzupassen.
Java Runtime ist auf Neo eher für größere Applikationen ausgelegt. Das verleitet dazu, eher monolithische Applikationen zu entwickeln. Diesbezüglich bietet Cloud Foundry eine höhere Flexibilität. Dort lässt sich den Applikationen der Speicher megabyteweise zuteilen. Insofern ist Cloud Foundry eher dafür geeignet, Microservices zu entwickeln, was wiederum dem Cloud-Native-Ansatz besser entgegenkommt.
Von HANA 1.0 zu HANA 2.0
Mit dem Wechsel von Neo zu Cloud Foundry hat SAP auch den Wechsel von HANA 1.0 auf HANA 2.0 vollzogen. SAP stellt dafür ein Migrationstool bereit. Viele Artefakte, zum Beispiel Tabellendefinitionen, können direkt übernommen werden. Node.js-Module sorgen dafür, dass der Code, der auf HANA 1.0 entwickelt wurde, auch auf HANA 2.0 läuft. Dadurch lassen sich XS-Services und Libraries wiederverwenden.
Allgemein müssen Entwickler die Struktur der Anwendung im Blick behalten. Es gilt unter anderem die Frage zu klären, wie sie von Delivery Units zu Multi-Target-Anwendungen kommen. Wer in HANA 2.0 Beziehungen zwischen verschiedenen Datentöpfen herstellen möchte, muss Cross-Container-Zugriffe explizit erlauben.
Roadmap: Dorthin soll es gehen
Wer mit Softwareentwicklung auf der SAP Cloud Platform starten möchte, steht vor der grundlegenden Entscheidung für eine Entwicklungsumgebung. Ein zentrales Kriterium ist, dass die gewählte Umgebung zum zugrundeliegenden Geschäftsmodell des Unternehmens passen sollte. Weiterhin spielt die Komplexität des Codes eine wichtige Rolle. Die Szenarien reichen vom Verwenden fertiger, von SAP bereitgestellter Komponenten (Low Code) über die freien Programmiermodelle ABAP RESTful Programming Model und SAP Cloud Application Programming Model bis hin zum völlig unabhängigen Entwickeln mit eigenen Werkzeugen und Programmiersprachen. Für jedes Programmiermodell von SAP sind entsprechende Entwicklerwerkzeuge verfügbar.
Die Roadmap für die Zukunft ist genauso vielfältig wie die SAP Cloud Platform selbst. Im Bereich Integration steht die Schaffung weiterer Konnektivitätsoptionen zum generischen Message Service Adapter und zum FTP/FTPS Adapter im Vordergrund. Außerdem plant SAP, die SAP Cloud Platform Integration und API Management auch in der Alibaba Cloud verfügbar zu machen, was jedoch für europäische Kunden weniger relevant sein dürfte.
Das kommt in Sachen Extensions und Business Services
Die SAP Cloud Platform Extension Factory war Ende 2019 eine wichtige Neuerung im Bereich Extensions. In sie wird künftig weiterhin stark investiert, um zusätzliche SAP-Produkte einfach anschließen zu können. Darüber hinaus ist es das Ziel von SAP, weitere Themen in das ABAP Programming Model aufzunehmen. Ebenso wird an der Datenreplikation zwischen Cloud und On-Premise gearbeitet.
Bei den Business Services/Master Data Services geht es in erster Linie darum, die Dienste auf weitere Stammdatenobjekte über den SAP Business Partner hinaus auszuweiten. Auf Cloud Foundry realisiert SAP den SAP Translation Hub, sodass Entwickler auf maschinelle Übersetzungen nutzen können. Ein weiteres Ziel ist die Zentralisierung der Stammdaten auf der SAP Cloud Platform, um sie für verschiedene Anwendungen bereitzustellen. Schließlich kommt keine in der Cloud entwickelte Applikation ohne Stammdaten aus.
Fazit: Fokus auf die Use Cases „Extend“ & „Integrate“
SAP hat die SAP Cloud Platform strategisch neu ausgerichtet und ihr die Rolle einer Business Technology Platform zugedacht – mit einem klaren Fokus auf den Use Cases Integration und Erweiterungen. Vor allem für Stammdaten sind zudem neue Business Services verfügbar.
Im Hinblick auf die Entwicklung von Erweiterungen sind in der jüngeren Vergangenheit einige Neuerungen hinzugekommen: die ABAP-Umgebung, die SAP Cloud Platform Extension Factory (für die Integration in ein S/4- oder C/4HANA-System), das Cloud Application Programming Model, das Entwicklungen auf der SAP Cloud Platform vereinfacht, damit sich Entwickler auf die Businesslogik konzentrieren können, und SAP Business Application Studio als Entwicklungswerkzeug für erfahrene Entwickler.
Die wichtigsten Neuerungen in Sachen Integration sind die Open Connectors – sie ermöglichen Standardintegrationen zwischen verschiedenen Systemen, zum Beispiel zwischen SAP C/4HANA und einem Ticketsystem – und SAP HANA Cloud, die Integrationsmöglichkeiten auf Datenebene bietet. Den momentanen Fokus auf die Themen Erweiterungen und Integration wird SAP auch künftig beibehalten.