In unserer Blogreihe gehen wir den Erfolgsgeheimnissen der Tech-Unternehmen aus dem Silicon Valley auf den Grund. Was machen sie anders als andere Firmen? Worauf gründet sich ihr großer Erfolg? Die hohe Risikobereitschaft spielt eine wichtige Rolle.
Gründer zu sein, ist in den USA in der Regel keine einmalige Sache. Die meisten Unternehmer brauchen mehrere Versuche, bis sie mit einer Geschäftsidee erfolgreich sind. Es heißt oft, dass die Investoren einem Unternehmer erst ab der dritten Gründung richtig viel Geld anvertrauen.
Diese Herangehensweise ist möglich, weil die Kultur des Scheiterns jenseits des Atlantiks eine andere ist. Scheitern stellt keinen dunklen Fleck im Lebenslauf dar, sondern gilt als lehrreiche Erfahrung. Etwas überspitzt formuliert: Wer noch nie gescheitert ist, kann nichts. Nur wer wagt, gewinnt. Ganz anders bei uns: Wer einmal gescheitert ist, dürfte es schwer haben, Investoren für eine neue Geschäftsidee zu finden und dafür Geld aufzutreiben.
Im Silicon Valley nehmen die Investoren den Begriff Risikokapital wörtlich: Ihnen ist vollkommen bewusst, dass sie Geld verlieren werden, weil neun von zehn Start-ups scheitern. Beteiligt man sich jedoch an einer Geschäftsidee, die zum Riesenerfolg wird, machen die Gewinne dieser Investition die Verluste der anderen neun Projekte locker wett.
Gründer und Investoren sind rund um die San Francisco Bay ständig auf der Suche nach „the next big thing“, nach der Idee, die die Welt verändert und sich auch finanziell auszahlt. Im Silicon Valley nennen sie eine solche Erfolgsgeschichte „unicorn“, also „Einhorn“.
Die Jagd nach dem Einhorn erfordert Wagnisse. Es geht nicht um einen möglichst schnellen Return on Investment (RoI). Für Investoren ist weniger relevant, wie schnell das Start-up nach seiner Gründung Gewinn abwirft, sondern vielmehr, welches maximale Potenzial ein Unternehmen hat.
In der Regel gibt der Geldgeber dem Gründer drei Monate Zeit, um seine Geschäftsidee mittels Business Model Canvas, Product-Market-Fit und Pivoting zu optimieren. Liegen dann noch keine Ergebnisse vor, stoppt er entweder sofort den Geldfluss oder gewährt dem Start-up noch einmal drei bis sechs Monate Aufschub. Spätestens nach neun Monaten ist aber definitiv Schluss, wenn der Investor die Geschäftschancen nach wie vor negativ bewertet.
In Deutschland ist diese rasante Geschwindigkeit in der Geschäftsentwicklung nicht gegeben. Hierzulande fängt ein Start-up erst nach ein bis zwei Jahren richtig an zu arbeiten. Das bedeutet für Investoren eine längerfristige Verpflichtung, die sie aufgrund der anhaltenden Ungewissheit, ob sich die Investition auszahlt, oft scheuen.
Sicherlich ist die unterschiedliche Herangehensweise an neue Geschäftsmodelle auch eine Mentalitätsfrage. Zumindest zu einem gewissen Teil beruht der Erfolg des Silicon Valley auf der großen Risikobereitschaft. Dahinter stehen eine optimistische Grundhaltung und der unerschütterliche Glaube daran, dass harte Arbeit und nicht Herkunft, gesellschaftliche Stellung oder Wohlstand für den Erfolg ausschlaggebend sind. Die Gründerväter lassen grüßen.
Wenn Gründer Investoren vom Potenzial ihrer Geschäftsidee überzeugen, erhalten sie das erforderliche Kapital, um das Wachstum ihres Unternehmens voranzutreiben. Die Geldgeber im Silicon Valley betrachten es als lukrative, wenn auch riskante Anlage, junge Unternehmer mit Zukunftspotenzial bei einer brillanten Idee zu unterstützen.
In Deutschland tun sich die Menschen schwer damit, einen Weg mit unbekanntem Ziel einzuschlagen und Risiken einzugehen. Bevor man ein Produkt auf den Markt bringt, soll es perfekt sein. Zunächst mit einer Basisversion zu starten und das Produkt sozusagen im laufenden Prozess anhand des Kundenfeedbacks zu verbessern, lässt sich offenbar nur schwer mit deutschem Pflichtbewusstsein und deutscher Sorgfalt vereinbaren.
Diese Gegenüberstellung der Mentalitäten soll aber nicht bedeuten, dass man sich zwingend für eine Seite entscheiden muss. Ein zielführender Weg wäre es doch, wenn es gelingt, die Stärken des Silicon Valley wie Offenheit, Kooperation und innovationsfördernde Kultur mit deutschen Tugenden wie Gründlichkeit und Qualität zu vereinbaren.